©  Gunda von Dehn – Flöten-Variation nach der Melodie „Lütt Matten de Has“

Lütt Matten de Has_2

C. Wichern / Klaus Groth

Ein Lied aus alten Zeiten

——meine Großmama

Klein-Anni war ein liebes, fröhliches Mädchen und sehr beliebt bei allen Kindern, sogar bei den Lehrern in der Schule, weil sie stets hilfsbereit und freundlich war. Und singen konnte sie wie eine Nachtigall. Eines Tages wurde im Schulunterricht ein neues Lied gelehrt. Anni durfte vorsingen. Bewundernde Blicke trafen sie von ihren 65 Mitschülern – die Klasse hatte 3 Jahrgänge – und sogar der Lehrer schien begeistert. Vers 1, 2 und 3 des Liedes gelangen Anni hervorragend. Dann kam Vers 4 und Klein-Anni musste lachen – über die Dummheit des lütten Hasen, der sich fressen ließ. Der Lehrer schlug wütend mit dem Rohrstock aufs Pult und rief: „Anna! Das ist nicht komisch! Das ist nicht zum Lachen! Merkst du das nicht? Der Hase wird gefressen!“ Klein-Anni konnte nicht aufhören, weil ihre Freundin in der Bank hinter ihr forwährend kicherte und sie im Nacken kitzelte… Da zückte Lehrer Hempel empört sein Notizbuch und schrieb eine  fette „5“ hinein. – Die Zeit verging – Ostern kam – es gab Zeugnisse. Mit Entsetzen sah Klein-Anni die „5“ im Fach „Singen“. „Na ja“, tröstete sie sich, „Singen“ ist ja nicht so schlimm, gibt es doch sonst nur Einser im Zeugnis.“ Trotzdem traute sie sich kaum nach Hause.
In Dunstwolken aus kochender Waschlauge fand Anni ihre Mutter in der Waschküche vor. Sie stand – wie üblich – auf dem Lattenrost, angetan mit Holzpantinen und Gummischürze, ein blaues Kopftuch um die Haare gebunden. Vor ihr der Holzbottich mit dem Waschbrett, in greifbarer Nähe ein Behälter mit Sand, Seife, Soda und Wurzelbürste. Annas Mutter nahm die Hände aus dem Wasser, die Knöchel ihrer Finger waren schon ganz aufgerieben.
„Wie ist dein Zeugnis?“ fragte sie freundlich. Sie kannte ihre „große“ Anni und erwartete ein hervorragendes Zeugnis. Anna und ihr Bruder Otto waren die klügsten ihrer 6 Kinder.  „Gut, Mama, ganz gut.“ – „Ganz gut? Zeig her.“ Zögernd reichte Anni ihrer Mutter das Zeugnisheft. Der Mutter sprang mit dem ersten Blick die prangende „5“ ins Auge. Sie schien ihr riesengroß. Zu welchem Fach diese entsetzliche Zahl gehörte, entging ihr in diesem Moment. Wie der Blitz schoß es in ihr Gehirn: „Anna hat eine 5! Meine kluge Anna hat eine 5 im Zeugnis! Faulheit! Das kann nur Faulheit sein!“  – Faulheit war das Schlimmste in ihren Augen. Schließlich war sie das Haupt einer 6-köpfigen Kinderschar, deren „Ernährer“ verstorben war. Es war sehr, sehr schwer für sie, die Familie durchzubringen. Da musste jeder fleißig sein, gleich welchen Alters! – Schlechte Schulnoten wurden nicht geduldet. Und da die Mutter gerade ein nasses Tuch in der Hand hielt, klatschte sie es Anni ohne ein Wort ins Gesicht, rechts und links und wieder rechts… – Nachher tat es ihr leid, aber gesagt hat sie es nicht… Anni hat nie wieder eine „5“ nach Hause gebracht!
 
 
Hase1

—–Lütt Matten

Lütt Matten de Haas

Lütt Matten de Haas, de makt sik en Spaß,
He weer bi’t studeern, dat Danzen to lehrn,
Un danz ganz alleen op de achtersten Been.
 
Kee reinke de Voß, un dach Dat’s en Kost!
Un seggt, Lütt Matten, so flink op de Padden,
Un danzt hier alleen op de achtersten Been?
 
Kumm, laat uns tosaam! Ik kann as de Daam!
De Kreih de speelt Fiedel, denn geiht dat kandidel.
Dat geiht dat mal schöön op de achtersten Been?
 
Lütt Matten geev Pott. De Voß beet em doot.
Un sett sik in’n Schadden, verspies den lütt Matten.
————————————–De Kreih de kreeg een vun de achtersten Been.
 
 
 

Bilder: G. v. Dehn


AutogrammkarteGunda

Gunda von Dehn

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letzte Änderung 05.10.2023