© Gunda v. Dehn – „Halleluja“ aus meinem Musical „Die Stedinger“
Leseprobe
Band II – „Chroniken der tom Brook – Der Ritter“
Hafenbau
Als im Frühjahr 1380 das Eis schmolz und trockenes Wetter sein Vorhaben begünstigte, ließ Ocko die Vorarbeiten für den neuen Hafen in Angriff nehmen. Das gerodete Buschwerk und Gestrüpp, das abgeschlagene Astwerk und Gezweig wurde in die Nähe der Baustelle gekarrt, grob sortiert und zu gewaltigen Bergen aufgetürmt. Auf den Klapperwiesen wurden die Stämme geschnitten und zugehauen. In Siegelsum begannen die Ziegler wieder mit der Backsteinherstellung; Reepschläger, Schmiede, Stellmacher nahmen ihre Arbeit auf. Da gab es wohl keinen Handwerker, der nicht eingeschlossen war in den Arbeitsprozess. Als im März der Kuckuck rief, waren alle Vorarbeiten in vollem Gange. Die Störche waren schon zurückgekehrt, bauten eifrig an ihren angestammten Horsten. Zeit, den Deichbau voranzutreiben und die Arbeiten an dem neuen Hafen und dann musste noch das neue Siel bei Siegelsum gebaut werden, um das Binnenwasser zurückhalten zu können. – Eine Mammutaufgabe. ……………. An der See aufgewachsen, kannte Ocko etliche Möglichkeiten, gegen die Fluten anzukämpfen, um das neue Hafenbecken zu schaffen. Nur bei Ebbe zu arbeiten, das wäre schier undurchführbar gewesen. Das wäre wegen der zerstörerischen Kraft des Wassers, die alles zunichte macht, was vorher mühsam geschaffen wurde, eine nutzlose Sisyphosarbeit gewesen. An der Riedemündung in die Leybucht musste deshalb ein massiver Schutzwall errichtet werden, ein sogenanntes Höft. Eine unerlässliche Maßnahme, um das Tidewasser sicher abzuhalten, damit die Arbeiten durch Wassereinbruch nicht gestört oder verhindert wurden. Nun war aber die Leybucht stark durchsetzt von Sandbänken und Untiefen. Da hatte Ocko den Einfall, eine geeignete Sandbank vor der Riedemündung so hoch zur Warft aufzuschütten, dass sie nicht mehr vom Hochwasser überflutet werden konnte. Einleuchtend, dass die gewaltige Meeresströmung die Warft landeinwärts spülen würde. Um dies zu verhindern, mussten entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Ocko ließ darum das Höft mit dicht nebeneinander gerammten Pfählen schützen. Das sollte wohl eine Weile solide standhalten. Tat es auch – bis zur nächsten Sturmflut. Aus seiner Zeit als Heerführer in Italien kannte Ocko die Arbeitsweise, schnell fließende Bäche umzuleiten, um Schutzgräben trockenfallen zu lassen. Kurzerhand befahl er, vor den Resten seines Bollwerks große Holzkästen aufzubauen, die nun – an Ort und Stelle mit Steinen und Aushub gefüllt – die Riede sperrten. Dahinter wurde sogleich schwere Marscherde angefüllt, damit die Strömung die Senkkästen nicht fortschwemmen konnte. So baute man gewissermaßen eine breite Mauer aus Senkkästen auf, verschachtelte die Kästen nach und nach über- und nebeneinander, bis sie über die Wasserfläche hinaus ragten. Täglich ritt Ocko hierher, um die Arbeiten zu überprüfen. Einsickerndes Wasser beeinträchtigte die Arbeiten unerheblich. Das aber ließ sich nicht vermeiden. Dessen ungeachtet machte das Höft gute Forschritte. Das scheint einfach, aber was für schwere Arbeit steckte dahinter! Was für ein Aufwand! Nur gut, dass die folgenden Wochen und Monate ohne schweres Wetter vorübergingen. Bei schlimmer Sturmflut würde wohl alles wieder fortgespült worden sein, bevor es fertiggestellt war. ……….. Wenn Foelke den Dom von St. Marien besuchte, versäumte sie nie den Gang zur Baustelle. Mit Staunen und Bewunderung für ihren Gemahl, der das alles bewirkte, verfolgte sie das Werden des neuen Hafens. Heute begleitete Kaplan Benedikt sie, weil er meinte, das sei nicht der rechte Ort für eine Häuptlingsfrau: Hoiho! Nu man to! Bört up mit alle Man! Faat hum wis und holt hum fast, dann kumt he feller an! Lat hum fiern! So geit he goot! Haut hump up sien hoge Hood! Bumsfallera, dor was he ja! Dat erste Kroos verdeent! Heer mit d’ Fleß’ und her mit ‘t Gleß, De ‘t erelk mit uns meent. Wat wult du Knecht dor achter staan? Kum mit dat Fat man heer vandan! Dat Fat, dat Fat – dat Fat het Nat, dat Nat, dat Nat – wel mag noch wat? Bumsfallera, dor was he ja! Al weer ‘n Kroos an de Kant. Die Gaffer hatten ihren Spaß und Foelke, die den Hinweis auf das ‚Nass’ wohl verstanden hatte, winkte dem Knecht, das Fass Bier herbeizurollen. Die Kerle tranken einander zu und fort ging’s: Trekt mit alle Man, lat jo ‘t dor neet suur bi worden, wen der ook föör ‘n Maal en Pund anhangt. Seht wo he geit, seht wo he fleit. Hoog in de Top, de Pool wol van de Kop ……………..Widzelt auf der Marienburg

Die Expedition des Deutschritterordens gegen Litauen
Das bisweilen üppig bewaldete Gebiet war durchsetzt von lang gestreckten Sümpfen und unzähligen Wasserläufen, die überbrückt werden mussten. Hierfür brauchte man Holz, das aber zuerst einmal geschlagen werden musste. So entstand mancher Knüppeldamm, der die Sumpfgebiete überspannte. Begleitet von Gesang und schlüpfrigen Geschichten, ging die Arbeit munter voran, obgleich manchmal nur eine Wegmeile am Tage geschafft wurde.
Ehe man das Feldlager aufschlagen konnte, waren häufig Rodungsarbeiten notwendig. Das Unterholz musste geräumt werden, um vor Überfällen gesichert zu sein. Gräben mussten gezogen und gewisse Örtchen eingerichtet werden. Das starke Baumholz wurde zum Bau von Verhauen verwendet. Nach Abzug des Heeres überließ man die Verhaue häufig den Flammen. Für Brücken und schließlich auch für Angriffsmaschinen wurde manchmal das Holz mitgenommen oder aber konnte vor Ort geschlagen werden. Ob das eine oder andere geschehen musste, entschieden die Begleitmänner von der Insterburg. Jäger hatten für den täglichen Fleischtopf zu sorgen. Wild gab es genug: Schwarzwild, Hirsch und Reh, Elch und Bär, Niederwild in Massen, und doch, keine leichte Aufgabe, das scheue Wild zu erlegen, wenn ein Heer von Söldnern und Rittern durch die Wildnis lärmt. Immerhin musste ein Heer von dreißigtausend Mann mit Nahrung versorgt werden. Einmal gelang es den Jägern, eine ganze Herde Wisente einzukreisen und zu erlegen. Mehr als 500 Zentner Fleisch pro Tier brachte das! Welch ein Schmaus! Die unbrauchbaren Kadaverreste blieben auf dem Feld zurück. Kolkraben und allerlei andere Tiere taten sich daran gütlich. Aber das Glück, Bären, Rotwild oder Elch zu erlegen, lachte nicht so häufig. Leichter gelang es, der Wasservögel habhaft zu werden, die in großer Zahl in Sümpfen und Wasserläufen anzutreffen waren. Jegliche Art von Vögeln bereicherte das Nahrungsangebot. Ob Enten, Reiher, Schnepfen, Störche, Schwäne oder auch all die kleinen Waldsänger, die man leicht mit Leimruten und Netzen fangen konnte, sie alle bereicherten das tägliche Einerlei aus mancherlei Waldbeeren, Pilzen und hartem Brot, Hirsebrei und Hülsenfrüchten und waren willkommener Schmaus für das Gros der Männer. Die Fürsten und hohen Herren hatten freilich ihre eigene Furage dabei. Kranke, ob Mensch oder Tier, mussten ebenfalls versorgt werden. Simple Fußkranke genauso wie ernsthafter erkrankte Heerfahrer und lahme Zugtiere oder Pferde. Tee aus Ringelblumen wurde gegen Verdauungsbeschwerden gereicht, leichte Verletzungen mit einer Salbe aus Schmalz und Ringelblumen bestrichen. Aber die feuchte Luft ließ alle Wunden schlecht verheilen, so dass sie sich nicht selten zu schwärenden Eitergeschwüren entwickelten. Dazu die drückende Tageshitze, die manch wackerem Kerl schwer zu schaffen machte. Nach wie vor wurden die Gebetsstunden der Ordensangehörigen eingehalten. Vereinzelt fand auch die feierliche Bestattung eines in der Wildnis tödlich Verunglückten statt. Bei den großen Wegstrecken, gepaart mit sommerlichen Temperaturen, war es ausgeschlossen, die Toten zum nächsten Gottesacker zu schaffen. Einmal ertrank eine ganze Einheit von 80 Mann im Sumpf, der wurde dann selber zum „Gottesacker“. So sehr Widzelt den Tag herbeigesehnt hatte, endlich auf Kreuzfahrt gehen zu dürfen, so sehr verfluchte er jede Stunde, in der er sich in sommerlicher Hitze durch Morast und Dickicht quälen musste, geplagt von Myriaden von Mücken, Wespen, Bienen, Hornissen, Bremsen und anderem Ungeziefer. Vor ihm glitzerte in der Mittagsglut das schmale Band der Szeszuppa, einem Fluss von etwa einer Speerlänge Tiefe, wie der Geleitsmann Darguse bekundete. Aber Widzelt glaubte eher, dass es überwiegend Morast war, mit dem man sich herumschlagen musste, denn der Fluss schlängelte sich in bräunlich-grünen Mäandern durch die Wiesen. In seinem dunklen Wasser spiegelten sich die Schilfränder. Die Szeszuppa führte viel braunen Schlamm mit sich und das dunkle Moorwasser ließ keinen Grund erkennen. …………..Am Memel
Der Memel führte, jetzt im Sommer, wenig Wasser. Die Wasserfläche war wohl einen Bogenschuss breit oder etwas mehr. Umso breiter das schlammige Uferbett. Der übel riechende Sumpf, umsäumt von dichtem Schilfgürtel, erschwerte den Zugang zum Wasser. Er gärte faulig und gebar Insektenschwärme ohne Zahl. Geplagt von Stechmücken, gingen unterdessen die gedungenen Flößer ihrer Arbeit nach. Das geschlagene und zugeschnittene Holz für den Bau von Angriffstürmen, Rammböcken und Wurfmaschinen wurde zu Flößen gebunden und mit allerlei Ausrüstung beladen. Dann schob man die Flöße über den Schlick. Das bedeutete große Kraftanstrengungen. Nach der Bewältigung des Schlammbettes, konnte endlich das tatsächliche Flößen zum gegenüberliegenden Ufer beginnen. Gleichzeitig wuchs im Heer der Krankenstand stetig an. Ein Großteil der Spitalausrüstung befand sich auf den Schiffen, die täglich dringender herbeigesehnt wurden. Wurmfieber und sudor anglicus (Sumpffieber) griffen um sich. Viele Männer hatten ‚den Schelm in Leibe‘. Unter Krätze und Eiterbeulen litten sie wohl fast alle. Zum geringsten Übel zählten Sonnenstich und Hautausschlag. Manch einer der tapferen Kämpfer wurde von den bösen Krankheiten niedergeworfen. – Häufig hörte man jetzt das Totenglöckchen läuten. Widzelt machte sich auf die Suche nach dem heilenden Beifuss gegen das Sumpffieber. Der war schwer zu finden, aber der Spittler bestand darauf, denn Beifuss schien das einzig richtige Heilmittel gegen das Sumpffieber zu sein. Manchmal kam die Arznei für den Kranken zu spät. Aber Widzelt blieb dessen ungeachtet sehr ruhig und verrichtete die ihm zugewiesenen Arbeiten kalten Blutes. Aufregung und Hektik hätten nur Fehler verursacht. Wen es trifft, den trifft es…Die Entführung
Nachdem Edo Wiemken und Ocko tom Brook den Beistandsvertrag besiegelt hatten, lud Edo den Ritter und die fremden Kaufleute auf das gekaperte Schiff ein. – Und Foelke und ihre Magd? Ja, auch sie. – Foelke hatte keine Lust, mit Jarste auf der Edenburg auszuharren, die unbedingt ihre begonnene Webarbeit beenden wollte. – ‚Als ob sie nicht später noch Zeit genug dafür hat.‘ Edo Wiemken lobte begeistert die Eigenschaften des Kauffahrteischiffes. Die Groninger Kaufleute bezweifelten dies und jenes an dem Schiff, lockten Edo, den Beweis anzutreten, eine Fahrt zu machen. Der zierte sich keinen Deut: „Wir können einen Schlag um die Insel Wangerooge tun, dann seht ihr, wie das Schiff rennen kann.“ In seinen hellen Augen loderte es leidenschaftlich auf. Ob Ocko mitfahren wolle? „Ja, gern“, stimmte der Ritter zu. Ein schnelles Schiff wecke sein Interesse. „Das freut uns“, sagte Ocko. „Ein Vorschlag, Freund: Wenn du ohnehin eine kleine Fahrt unternehmen willst, Edo, dann erlaube mir die Frage, ob du nicht mich und die meinen nach Norden bringen willst. Ich würde mich freuen, dich einige Tage auf meinem Schloss von Aurichhove beherbergen zu dürfen.“ „Ha, das ist brauchbar, Ocko! Der Wind tut günstig stehen und die Gezeiten auch. Alles total günstig. Wir können sofort Segel setzen. – Pferde oder zu Fuß? Oder tut ihr ein Boot vorziehen bis zum Liegeplatz nach Schar“, fragte Edo. Ocko entschied sich fürs Reiten. Er hatte die großrahmigen Pferde auf der Koppel gesehen und wollte wissen, wie sie unterm Sattel gingen. „Wahrhaftig, ein schönes Schiff!“, stellte Ocko am Liegeplatz fest. „Denn man an Deck mit euch und ich tu euch die Wendigkeit des Renners zeigen.“ Ohne große Umstände brachte man das Gepäck an Bord. „Anker auf!“, kam der erste Befehl. Die Seeleute eilten zum Gangspill. Während die Ketten rasselnd und quietschend aufgezogen wurden, ertönte gleichförmig der Gangspillgesang:
Schloss Aurichhove
Leise raschelte Foelkes Kleid als sie sich vom Fenster abwandte. „Sie machen alles kaputt“, murmelte sie bedrückt, „…alles kaputt…“ Müde und grenzenlos verlassen fühlte sie sich. Fast glaubte sie, unter der Last zusammenzubrechen. Krieg! Wie konnte das sein? Nach allem, was sie im Krieg von Loppersum durchmacht hatte, nun wieder ein Krieg? Um dieselbe Sache wie damals! Um Adda Folkmarsnas Erbe, das ihr Gemahl einforderte! – Unwillkürlich horchte Foelke hinaus. Manchmal brüllten da draußen fürchterlich die Geschütze. Die verwüsteten alles. Die Kinder waren mit Ocko auf dem Wehrgang und fanden den Krieg überaus aufregend. Sie konnten nicht begreifen, dass es um Leben und Tod ging, dass dieser Strudel nicht nur alles hinwegreißen konnte, was es Schönes gab in ihrem jungen Leben, sondern auch sie selber bedrohte.
In glühendem Granatrot sank Abenddämmerung über das Land und über den Feldern jubilierten die Lerchen. ………..
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letzte Änderung 13.11.2018